Wo ein Wille ist, bahnt Holz den Weg: Etwa jedes vierte Gebäude in der Stadt kommt für eine Aufstockung in Betracht. Unser Beispiel in Hannover zeigt, wie das mit Holz sogar in Gebäudeklasse 5 gelingt.
„Mit vorgefertigten Elementen aus dem leichten Werkstoff Holz lässt sich schnell und effizient aufstocken.“, weiß Zimmerermeister Martin Lohbeck aus Erfahrung. Er ist Betriebsleiter des DHV-Mitgliedsunternehmens Burdiek Zimmerei u. Holzbau GmbH aus Damme und leitet seit Mai 2022 die Holzbauarbeiten eines beachtlichen Aufstockungsprojekts in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover: Dort, im idyllisch an der Leine gelegenen Stadtteil Linden, lässt die OSTLAND Wohnungsgenossenschaft eG ihre beiden ältesten Mehrgeschossgebäude umfassend energetisch sanieren und aufstocken.
Mit der Planung und Begleitung der komplexen Baumaßnahme haben die Auftraggeber das Lindener Baukontor betraut, ein auf Altbausanierung, Stadterneuerung und ökologisches Bauen spezialisiertes Architekturbüro aus Hannover.
Bei dem ambitionierten Bauvorhaben werden zwei Gebäudezüge mit 72 Bestandswohnungen umfassend modernisiert und dadurch deutlich aufgewertet. Zudem entstehen im neuen Mansarddach auf zwei Ebenen insgesamt 24 neue Wohneinheiten.
KfW-55-Standard als Ziel
Für die Planer des Lindener Baukontors bestand die Aufgabe darin, die beiden
Bestandsgebäude energetisch so zu ertüchtigen, dass sie nach Fertigstellung dem KfW-55-Standard entsprechen. Förderfähigkeit war Bedingung, um das Modernisierungsvorhaben vollumfänglich zu verwirklichen.
Dazu zählten der Austausch aller alten Fenster gegen energiesparende neue Modelle aus robustem Kunststoff, der Anbau vom Baukörper entkoppelter Balkone, die Dämmung der Fassade mit einem wirkungsvollen Wärmedämmverbundsystem sowie das Ausdämmen aller Gefache im neu entworfenen Mansarddach mit nachhaltigem Zellulose-Dämmstoff.
Die Zimmerei Burdiek ist den Architekten von einem anderen gemeinsamen Projekt her bekannt. Das DHV-Mitgliedsunternehmen wurde daher aufgefordert, für die Split-Level-Ausführung zweier in Holzbauweise geplanter Mansarddächer ein bepreistes Angebot abzugeben. Die Offerte der Zimmerei konnte überzeugend; sodass die OSTLAND Wohnungsgenossenschaft den Zuschlag erteilte.
„Das Leistungsangebot der Zimmerei Burdiek umfasst die passgenaue Vorfertigung aller zur Aufstockung benötigten Holzbauelemente, deren Transport zum Bauplatz sowie die fachgerechte Montage vor Ort. Das Angebot passt exzellent in den gesteckten finanziellen Rahmen.“, so Architektin Melanie Schwarzien über die kaufmännische Gestaltung des Projekts.
Holz macht’s leichter
Zunächst stand eine Prüfung der statischen Gegebenheiten an. Dabei erwiesen sich die Lastreserven der Fundamente beider Bestandsgebäude, die in den 1950er-Jahren errichtet worden waren, für große Auflasten als zu gering. Eine Aufstockung in konventioneller Massivbauweise kam daher nicht in Betracht. Folglich schlug Architekt Henk Tappe die Ausführung der geplanten zusätzlichen Geschosse Nr. 5 und 6 in Holzrahmenbauweise vor: „Holz betrachte ich für Aufstockungen als den idealen Werkstoff: Holz lässt sich passgenau ablängen und bedarfsgerecht bearbeiten. Außerdem ermöglicht Holz, Bauelemente von beträchtlicher Größe vorzufertigen. Man kann sie wetterunabhängig in der Halle herstellen und genau zum Verbauzeitpunkt anliefern lassen. Das macht die zeitlichen Abläufe auf der Baustelle für uns als Architekten präziser planbar.“, führt Henk Tappe aus.
Analog zur Musterbauordnung (MBO) schreibt die niedersächsische Landesbauordnung in der höchsten Gebäudeklasse 5 – also für Gebäude, die höher als 13 m sind – aus Brandschutzgründen die Bauausführung mit nichtbrennbaren Materialien vor. Die Bauteile müssen feuerbeständig sein und einen Feuerwiderstand von mindestens 90 Minuten garantieren (F90). Demnach wäre das Aufstocken mit Holz im Quartier Hannover-Linden zum Zeitpunkt der Bauantragstellung streng genommen nicht genehmigungsfähig gewesen.
„Dass uns im konkreten Fall die Ausführung mit Holz dennoch gestattet wurde, kam so: Wir haben im Lindener Baukontor für die Bauausführung des zweigeschossigen Mansarddachs in Holzbauweise ein spezifisches Brandschutzkonzept ausgearbeitet, das auch einige Brandschutzwände aus Kalksandstein umfasst und das Brandschutzziel exakt erfüllt. Das hat uns der zuständige Brandschutzprüfer auch bestätigt. Die Genehmigung des Bauantrags zog sich dennoch in die Länge. Insgesamt betrug die Wartezeit 260 Tage!
Mit dem Inkrafttreten der novellierten Bauordnung kam endlich Bewegung in die Sache. Eine wichtige Neuerung besteht in der brandschutztechnisch relevanten Kapselungsregelung, die bei unserem Projekt die Zwischendecke der Geschosse im Mansarddach betrifft. Wir haben sie als nichtbrennbare Betonkonstruktion auf einer Leichtmetallschale vorgesehen, um der novellierten Bauordnung zu genügen. Zu guter Letzt durften wir mit dem Segen der Behörde die vielschichtige Umsetzung der Baumaßnahme starten.“, so Schwarzien.
100 Tonnen Treibhausgas gespart
Die Materialmengen, die von Zimmerei Burdiek zur Aufstockung beider Gebäudezüge in Hannover-Linden verbaut wurden, sind beachtlich:
• 101 m³ Konstruktionsvollholz (KVH), was in etwa 6.400 laufenden Metern (lfdm) Nadelholz entspricht und sich in ein CO2-Äquivalent von etwa 100 Tonnen gespartes Treibhausgas umrechnen lässt
• 310 m³ Zellulose
• 600 m² Dämmplatten aus Steinwolle von Rockwool;
• 1500 m² (= 90 m³) Holzfaserdämmplatten
• 1400 m² Holzspanplatten
• 3000 m² Gipsfaserplatten
Text und Fotos: Achim Dathe für den DHV, Ostfildern; www.d-h-v.de ; Architektur: Lindener Baukontor, Hannover; www.lindener-baukontor.de